Der Autor bittet die Leserinnen und Leser um Nachsicht dafür, dass er aus sprachlichen Gründen Personengruppen weitgehend in der männlichen Form bezeichnet hat.
Von Lyon nach Erfurt - Zur Geschichte der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit
Überblick
Der Autor bittet die Leserinnen und Leser um Nachsicht dafür, dass er aus sprachlichen Gründen Personengruppen weitgehend in der männlichen Form bezeichnet hat.
Von Lyon nach Erfurt - Zur Geschichte der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit
Die Arbeitsgerichtsbarkeit verdankt ihre Entstehung der Industrialisierung und der Herausbildung des freien Lohnarbeiters zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Zuvor war es die Zunftgerichtsbarkeit, welche die Streitigkeiten nicht nur zwischen den Handwerkern untereinander, sondern ebenso zwischen ihnen und ihren Gesellen entschied. Das genossenschaftliche Selbstverständnis der Zünfte war auf Autonomie und gegen die Unterwerfung unter staatliche Gerichte angelegt. Trotz wiederholter Versuche im 16. und 17. Jahrhundert, die Zunftgerichtsbarkeit zurückzudrängen, blieb deren Macht faktisch weitgehend erhalten. Auch als mit der Reichszunftordnung von 1731 das gesamte Handwerkerrecht auf eine neue Grundlage gestellt und die autonome Gesellengerichtsbarkeit im Wesentlichen beseitigt werden sollte, leisteten die Gesellen zunächst noch Widerstand. Doch mit der Einführung der Gewerbefreiheit, der Aufhebung des Zunftzwangs und der rasch steigenden Zahl von Lohnarbeitern in Fabriken und Manufakturen wurde der Niedergang der Zünfte unaufhaltsam. Allerdings hatten manche Prinzipien der Zunftgerichtsbarkeit, wie die Nichtzulassung von Rechtsanwälten sowie das mündliche und summarische, auf Konsens und Schlichtung angelegte Verfahren auf die Entwicklung der Arbeitsgerichtsbarkeit nachhaltige Auswirkungen.
Der Wegfall der ständischen Ordnung führte zunächst zu einem Vakuum, das auszufüllen die ordentlichen Gerichte nur unzulänglich in der Lage waren. So begründeten 23 Berliner Kattundruckerei-Unternehmer im Jahre 1814 ihren Antrag auf Errichtung eines Fabrikengerichts damit, sie wollten mit ihren... Streitigkeiten nicht vor die ordentlichen Gerichte gehen, "weil die... Untersuchungen aus Mangel an Sachkenntnis... gewöhnlich nicht gründlich genug ausfallen, der Geschäftsgang überhaupt mit zu vielen Förmlichkeiten verbunden ist, die Entscheidungen zu lange ausbleiben und sich die Prozesskosten zu sehr anhäufen". Ebenso war bereits Napoleon im Jahre 1805 auf einer Fahrt nach Italien in Lyon, dem Zentrum der französischen Seidenindustrie, mit dem Wunsch der Handelskammer konfrontiert worden, ein neues Gewerbegericht zu errichten. Schon zuvor hatten sich die Seidenfabrikanten bei der französischen Regierung über die massenhafte Verletzung der Lehrverträge, den verbreiteten Arbeitsvertragsbruch durch die Arbeiter sowie über Unterschlagungen und Betrügereien beklagt. Die Wünsche der Lyoner Seidenfabrikanten nach einem besonderen Gericht fanden ebenso Gehör wie die der Berliner Kattundruckerei-Unternehmer. In Berlin wurde das Berliner Fabrikengericht, in Lyon der Rat der Gewerbesachverständigen (conseil de prud`hommes) errichtet. Die beiden Gerichte stehen für die zwei unterschiedlichen Modelle der Gewerbegerichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Während das Berliner Fabrikengericht ein staatliches Gericht war, in welchem die Heranziehung von Fabrikenkommissaren und Sachverständigen besondere Sachkunde gewährleisten sollte, handelte es sich bei den conseils de prud`hommes um eine allein von den Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragene Eigengerichtsbarkeit, mit der an die Tradition der Zünfte angeknüpft wurde.
Das Berliner Fabrikengericht war erstmals bereits 1792 als Abteilung der Polizei errichtet, 1809 aber wieder aufgehoben worden. Doch wurde "die Wohltat schneller und fast unentgeltlicher Justiz dem hiesigen Gewerbestand" nicht lange vorenthalten. Denn auf Grund der Sorgen der Kattundruckerei-Unternehmer über die vielen Streitigkeiten mit den Arbeitern, "die einen hohen Lohn ertrotzen und nur dann arbeiten wollen, wenn es ihnen gefiele" wurde bereits am 4. August 1815 das Reglement für die neue Fabrikengerichts-Deputation in Kraft gesetzt. Als Fabrikenrichter fungierte ein Justizrat, dem als "technische Mitarbeiter" zwei Fabrikenkommissare zur Seite standen. Das Fabrikengericht war zuständig für alle Fabrikunternehmer und Arbeiter, deren Arbeitsstätte sich im Polizeibereich der Stadt Berlin befand. Für die wichtigsten Industriezweige, darunter die Seiden-, die Woll- und Baumwoll- sowie die Strumpffabrikation, die Kattundruckereien und die Spinnereien wurden von den Fabrikanten Sachverständige gewählt, die vom Gericht herangezogen wurden. Das Gericht trat wöchentlich einmal zusammen, um die Parteien, die auch ungeladen kamen, anzuhören. Der Fabrikenrichter sollte eine gütliche Einigung anstreben und für rasche Erledigung der Streitsachen sorgen. Dabei diente die Tätigkeit der Fabrikenrichter durchaus auch der Disziplinierung unbotmäßiger Arbeiter. Bei Verstößen gegen Fabrikgesetze konnten sie Geldbußen bis zu fünf Talern oder Gefängnisstrafen bis zu acht Tagen verhängen. Auch sollten "widerspenstige Arbeiter... durch exekutivische Zwangsmittel, andernfalls durch Arrest zur einstweiligen Erfüllung ihrer Obliegenheiten angehalten werden". Bei Lehrlingen "aus der geringeren Volksklasse" war gar eine "mäßige körperliche Züchtigung gestattet". Das Berliner Fabrikengericht stellte seine Tätigkeit erst 1875 ein, nachdem es nicht als Schiedsgericht im Sinne der Gewerbeordnung von 1869 anerkannt worden war.
Noch größeren Einfluss als das Berliner Fabrikengericht hatten auf die spätere Entwicklung der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit die Räte der Gewerbesachverständigen, die conseils de prud`hommes. Der erste wurde 1806 für die Stadt Lyon errichtet. Bald folgten auch andere Städte. Begründet wurde die Errichtung der Räte damit, dass der Ausgleich von Streitigkeiten auf dem Gebiet des Gewerbes Kenntnisse erfordere, welche "nur Fabrikanten oder Werkmeister und Handwerker haben können". Die Tätigkeit erheische ferner "neben unbeugsamer behördlicher Strenge auch eine Art väterlichen Wohlwollens, welches die Strenge des Richters mildert, zuweilen Nachsicht übt, stets aber Zutrauen erweckt und zum Gehorsam erzieht". In dem in Lyon zunächst aus neun, später aus fünfzehn Gewerbesachverständigen bestehenden Rat waren Fabrikenkaufleute, Werkstättenvorsteher, Werkmeister, Färber und Gewerbesteuer zahlende Hausgewerbetreibende vertreten. Die Arbeiter besaßen dagegen für die conseils de prud`hommes weder das aktive noch das passive Wahlrecht. Dies änderte sich in Frankreich erst 1848. Die obligatorische Güteverhandlung, die heute noch am Beginn des arbeitsgerichtlichen Prozesses steht, hat im Verfahren der conseils de prud`hommes ihren Ursprung. Sie fand vor dem Vergleichsbüro statt, das mindestens jeden zweiten Tag von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr tagen sollte und vor dem die Parteien ohne Ladung spontan erscheinen konnten. Schlug der Vergleichsversuch fehl, so entschied das Hauptbüro bei einem Streitwert bis zu 60 Frs., später 100 Frs. endgültig. Im übrigen war die Berufung zu den Handelsgerichten möglich.
Auch die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 21. Juni 1869 brachte noch nicht den entscheidenden Durchbruch. Zwar eröffnete diese die Möglichkeit, durch Ortsstatut nach Anhörung der beteiligten Gewerbetreibenden gleichmäßig aus Arbeitgebern und Arbeitnehmern gebildete Schiedsgerichte mit der Schlichtung bestimmter gewerblicher Streitigkeiten zu betrauen. Jedoch entstanden bis 1874 im gesamten Reich nur 57 dieser Gerichte, deren Tätigkeit von Zeitgenossen wohl nicht zu Unrecht als "kümmerliches Vegetieren" beschrieben wurde. Denn viele Gemeinden lehnten die Gerichte mit der Begründung, dass seitens der Gewerbetreibenden hieran kein Bedürfnis bestehe, ab. So dauerte es noch bis 1890, ehe mit dem Gewerbegerichtsgesetz der Grundstein für die heutige Arbeitsgerichtsbarkeit gelegt wurde.
Entsprechend dem französischen Vorbild wurden in der Zeit von 1808 bis 1813 auch in den französisch verwalteten linksrheinischen Gebieten in Aachen, Krefeld und Köln Räte der Gewerbesachverständigen errichtet. Nach Zusammenfassung der Rheinlande zur königlich-preußischen Rheinprovinz setzten die Räte in Köln und Aachen ihre Tätigkeit als preußische Gerichte fort. Ihr erfolgreiches Wirken war ab 1835 Anlass für die Errichtung neuer Gewerbe- und Fabrikengerichte in Gladbach, Solingen, Barmen, Elberfeld, Remscheid, Lennep, Düsseldorf, Burscheid und Mühlheim. Versuche, Gewerbegerichte auch in anderen deutschen Staaten zu errichten, hatten allerdings nur geringen Erfolg. Während die Gewerbe- und Fabrikengerichte zunächst vor allem den Interessen der Unternehmer an der Disziplinierung der Arbeiter dienten und auch überwiegend von den Fabrikanten in Anspruch genommen wurden, änderte sich dies Mitte des 19. Jahrhunderts. Zunehmend wurden die Gerichte nun auch von Arbeitern zur Durchsetzung ihrer Ansprüche angerufen und es zeigte sich, dass die Tätigkeit der Gerichte auch im Interesse der Arbeiterschaft lag. So hatten insbesondere die gutachterlichen Stellungnahmen zahlreicher Gewerbegerichte maßgeblichen Anteil daran, dass der Missbrauch des Warenzahlens, diese "unmenschliche Manier, den Arbeiter um seine sauer verdienten Groschen zu prellen", abgeschafft und 1849 das sog. Truck-Verbot gesetzlich verankert wurde. Zur gleichen Zeit tauchten verstärkt Forderungen aus der Arbeiterschaft nach einer zumindest paritätischen Besetzung der Gewerbegerichte auf. So richtete die Generalversammlung sächsischer Arbeiter im Juni 1848 eine Adresse an die Nationalversammlung in Frankfurt, in der ein Schiedsgericht gefordert wurde "zusammengesetzt aus gleichen Teilen Arbeitern und Arbeitgebern und einem von beiden Teilen erwählten Obmann". Während die Frankfurter Nationalversammlung diese Forderung nicht umsetzte, war in Preußen in der vom preußischen König oktroyierten Gewerbegerichtsverordnung vom 9. Februar 1849 erstmals die nahezu gleichgewichtige Repräsentation der Arbeitnehmer vorgesehen. Die Zusammensetzung des Rates und das uneingeschränkte aktive und passive Wahlrecht der Fabrikarbeiter und Gesellen war umwälzend neu. Auch beschränkte sich die Zuständigkeit des Gerichts nun auf arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Damit verlor das Gericht seinen Charakter als "Gewerbe"-Gericht und war erstmals ein echtes "Arbeits"-Gericht. Wenngleich die vom preußischen König im Rahmen seines Notverordnungsrechts erlassene Gewerbegerichtsverordnung nach intensiven parlamentarischen Debatten von beiden Kammern des Preußischen Abgeordnetenhauses genehmigt wurde, hatte sie aus unterschiedlichen Gründen nicht die erwarteten praktischen Auswirkungen. Insbesondere gelang es nicht, in wirksamer Weise Gewerbegerichte in ganz Preußen zu errichten.
Schon bald nach dem großen überregionalen Bergarbeiterstreik im Mai 1889 und Bismarcks Entlassung als Reichskanzler am 20. März 1890 wurde am 28. Juni 1890 vom Deutschen Reichstag das "Gesetz betreffend die Gewerbegerichte" verabschiedet. Mit ihm begann die Vereinheitlichung der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit. Es entfaltete eine zunächst ungeahnte Integrationswirkung für die Arbeiterschaft und ermöglichte die allgemeine Durchsetzung des Arbeitsrechts. Nach dem Gewerbegerichtsgesetz wurden zunächst freiwillig, ab 1901 jedoch obligatorisch in Gemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern besondere staatliche Gerichte eingerichtet, die für gewerbliche Streitigkeiten zwischen Arbeitern und ihren Arbeitgebern sowie zwischen Arbeitern desselben Arbeitgebers zuständig waren. Das neue Gewerbegericht zeichnete sich vor allem durch die paritätisch besetzte Richterbank aus. Der vom Magistrat oder der Gemeindevertretung für mindestens ein Jahr gewählte Vorsitzende musste nicht über die Befähigung zum Richteramt verfügen, durfte aber weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer sein. Die Beisitzer waren je zur Hälfte Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Während es der SPD und der Freisinnigen Partei gegen den Widerstand der Konservativen gelang, die unmittelbare und geheime Wahl der Beisitzer durchzusetzen, blieb den Frauen das aktive und passive Wahlrecht verwehrt.
Die Verfahrensgrundsätze des Gewerbegerichtsgesetzes haben den Arbeitsgerichtsprozess nachhaltig geprägt und bestimmen noch heute den erstinstanzlichen Verfahrensgang. Hauptziel des Prozesses war bereits damals die Rechtsschutzgewährung in einem schnellen und gleichwohl gründlichen Verfahren. Der Ausschluss von Rechtsanwälten bei der Prozessvertretung wirkte noch lange nach und wurde erst 1979 vollständig beseitigt. Entscheidungen der Gewerbegerichte konnten bei einem Streitwert von mehr als 100,00 Mark durch Berufung beim Landgericht angegriffen werden. Da die Berufungssumme jedoch in den weitaus meisten Fällen nicht erreicht wurde, kam der erstinstanzlichen Rechtsprechung ein noch größeres Gewicht als heute zu.
Die ursprüngliche Skepsis und Ablehnung gegenüber dem Gewerbegerichtsgesetz und den Gewerbegerichten machte recht bald einer breiten Zustimmung Platz. Zwar hatte die SPD das Gesetz in der Schlussabstimmung vom 28. Juni 1890 noch mit der Begründung abgelehnt, sie wolle "lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz". Auch waren die Gewerbegerichte und ihr 1893 gegründeter Verband in den ersten Jahren massiven Angriffen seitens der konservativen Presse ausgesetzt. Dennoch erwarben sich die Gewerbegerichte durch ihre zügige und effektive Arbeit rasch breite Anerkennung und wurden wohl nicht zuletzt auf Grund der erstmals verwirklichten Parität auf der Richterbank zu "Vertrauensgerichten" auch für die Arbeitnehmerschaft. So empfahl selbst Lenin 1899 die Errichtung einer den deutschen Gewerbegerichten entsprechenden Institution für Russland und begründete dies damit, dass gegenüber der ordentlichen Gerichtsbarkeit die Richter sachverständiger seien, die Arbeiter leichteren Zutritt hätten und durch ihre Mitarbeit lernen würden, sich mit den Gesetzen vertraut zu machen.
Das rasche Ansteigen der Zahl der Angestellten Ende des 19. Jahrhunderts und der Umstand, dass diese meist nicht mehr wie früher selbst Prinzipal wurden oder zum Prokuristen aufstiegen, verlangte zunehmend nach einer Sondergerichtsbarkeit auch für das kaufmännische Hilfspersonal. Diese wurde durch das Gesetz über die Kaufmannsgerichte vom 6. Juli 1904 geschaffen, das weitgehend die Vorschriften des Gewerbegerichtsgesetzes übernahm. Der Vorsitzende des Kaufmannsgerichts musste allerdings die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzen. Die Kaufmannsgerichte wurden regelmäßig den Gewerbegerichten angegliedert und ihr Vorsitz von deren Vorsitzenden mit übernommen. Zuständig waren sie für Streitigkeiten aus dem Dienst- oder Lehrverhältnis zwischen Kaufleuten und ihren Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlingen, soweit der Jahresverdienst 5.000 Mark nicht überstieg.
Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs, der Anerkennung der Tarifverträge und der Koalitionsfreiheit, der Errichtung von Arbeiter- und Angestelltenausschüssen, der Gewährleistung der Mitbestimmung und der durch Art. 157 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 dem Reich ausdrücklich gestellten Aufgabe, ein "einheitliches Arbeitsrecht" zu schaffen, stand eine grundlegende Neuordnung des Arbeitsgerichtsprozesses an. Um diese wurde von 1919 bis 1926 heftig gestritten. Nach den Forderungen der freien Gewerkschaften und der Sozialdemokraten sollten die Arbeitsgerichte selbständige Sondergerichte sein. Dagegen gingen die Vorstellungen der Unternehmerverbände sowie der Juristen- und Richtertage dahin, die Arbeitsgerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit einzugliedern. Nachdem bereits 1918 und 1923 Schlichtungsausschüsse eingerichtet und Schlichter bestellt worden waren, kam es schließlich mit dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) vom 23. Dezember 1926 zu einer Kompromisslösung: Die erstinstanzlichen Arbeitsgerichte wurden als selbständige staatliche Gerichte eingerichtet. Dagegen waren die Landesarbeitsgerichte als Berufungsinstanz den Landgerichten sowie das Reichsarbeitsgericht als Revisionsinstanz dem Reichsgericht angegliedert.
Die Kammern der Arbeitsgerichte und der Landesarbeitsgerichte verhandelten wie noch heute in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmervertreter. Die Vorsitzenden mussten nun bereits in erster Instanz "rechtsgelehrte Richter" sein. Die ehrenamtlichen Richter wurden nicht mehr gewählt, sondern auf Vorschlag der Arbeitgeberverbände und der Gewerkschaften für drei Jahre berufen. Das Reichsarbeitsgericht bestand bis zu seinem Ende nur aus einem dem III. Zivilsenat des Reichsgerichts angegliederten Senat. Dieser hatte bei seiner Einrichtung acht berufsrichterliche Mitglieder, verhandelte aber jeweils nur mit drei Berufsrichtern sowie je einem Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeisitzer. Durch das ArbGG 1926 wurde die Zersplitterung der gerichtlichen Zuständigkeiten in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten beseitigt. Zugleich wurde mit dem dreistufigen Gerichtsaufbau ein Modell geschaffen, das sich langfristig bewähren sollte. Neu und richtungweisend auch für andere Gerichtsbarkeiten war die Zulassungsrevision. Erstmals eingeführt wurde mit dem ArbGG 1926 auch das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren, das sich ebenfalls durch seine verfahrensrechtliche Ausgestaltung über den Tag hinaus als besonders geeignet für betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten erweisen sollte. Im Übrigen übernahm das ArbGG 1926 in großem Umfang bewährte Regelungen aus dem Gewerbe- und dem Kaufmanngerichtsgesetz. Eine wesentliche Neuerung war allerdings die - zunächst 1922 durch Verordnung eingeführte - arbeitsgerichtliche Vertretungsbefugnis von Gewerkschafts- und Arbeitgeberverbandsvertretern. Dagegen blieben Rechtsanwälte erstinstanzlich weiterhin von der Prozessvertretung ausgeschlossen.
Die zum 1. Juli 1927 durch das ArbGG 1926 errichteten Arbeitsgerichte konnten nur wenige Jahre unter demokratischen Verhältnissen wirken. Im Dritten Reich blieben sie als Institution zwar erhalten. Die nationalsozialistischen Machthaber sorgten aber umgehend für eine weitreichende Veränderung in der personellen Zusammensetzung. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 diente dazu, jüdische und politisch unbequeme Berufsrichter aus den Arbeitsgerichten zu entfernen. Nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes waren Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, in den Ruhestand zu versetzen. Nach § 4 konnten Beamte, "die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten", aus dem Dienst entlassen werden. Schon durch Gesetz vom 18. Mai 1933 wurde ferner die Grundlage zur Abberufung der noch auf Vorschlag der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände berufenen Beisitzer geschaffen. Stattdessen wurde die Berufung der Beisitzer nun Sache der Deutschen Arbeitsfront. In dieser Untergliederung der NSDAP waren die Angehörigen der ehemaligen Gewerkschaften und der Angestelltenverbände und die Angehörigen der ehemaligen Unternehmervereinigungen zusammengeschlossen und gänzlich der Führung und Kontrolle der Partei unterworfen. Auch die Prozessvertretung vor den Arbeitsgerichten wurde durch Änderung des § 11 Abs. 1 Satz 1 ArbGG den Rechtsberatungsstellen der Deutschen Arbeitsfront übertragen, die erstmals auch Rechtsanwälte zur Prozessvertretung ermächtigen konnten. Von dieser Befugnis machten sie nur gegenüber Anwälten Gebrauch, die Mitglieder der Reichsfachgruppe Rechtsanwälte des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes waren. Damit sollte sichergestellt werden, "dass nur solche Rechtsanwälte vor dem Arbeitsgericht auftreten, die blut- und artgemäß mit ihrem Volke verbunden sind".
Die in ihrer personellen Zusammensetzung veränderte Arbeitsgerichtsbarkeit erfuhr schon in den ersten Monaten der NS-Herrschaft einen grundlegenden Funktionswandel. Noch bevor durch Gesetz vom 10. April 1934 das Arbeitsgerichtsgesetz geändert und die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für kollektive Rechtsstreitigkeiten gestrichen wurde, waren deren kollektivrechtliche Kompetenzen faktisch obsolet geworden, denn die Gewerkschaften waren zerschlagen, Arbeitskämpfe verboten und der Erlass von Tarifordnungen dem von Adolf Hitler ernannten sog. Treuhänder der Arbeit übertragen worden. Die gesetzliche Handhabe zur Zerschlagung politisch nicht genehmer Betriebsräte war bereits mit einem Gesetz vom 4. April 1933 geschaffen worden. Es ermächtigte die Behörden, das Erlöschen der Mitgliedschaft solcher Betriebsvertretungsmitglieder anzuordnen, die "in staats- oder wirtschaftsfeindlichem Sinne eingestellt sind". Durch das Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934 wurde schließlich aus dem Arbeitgeber der "Führer des Betriebes" und aus den Angestellten und Arbeitern die "Gefolgschaft", die "gemeinsam zur Förderung der Betriebszwecke und zum gemeinen Nutzen von Volk und Staat" arbeiten. Angesichts der Beseitigung des kollektiven Arbeitsrechts und der nationalsozialistischen Vorstellung einer konfliktfreien, auf dem Führerprinzip beruhenden Betriebsgemeinschaft überrascht es nicht, dass die Spruchpraxis der Arbeitsgerichtsbarkeit auch quantitativ in den folgenden Jahren stark rückläufig war und sich häufig darin erschöpfte, die Entlassung und rechtliche Ausgrenzung von jüdischen und kommunistischen sowie je nach Einzelfall auch von sozialdemokratischen Arbeitnehmern abzusegnen.
Der Neuaufbau der Arbeitsgerichtsbarkeit nach 1945 wurde eingeleitet durch das Kontrollratsgesetz Nr. 21 vom 30. März 1946. Darin wurde auf das Arbeitsgerichtsgesetz 1926 in seiner ursprünglichen Fassung zurückgegriffen. Jedoch waren nun auch die Landesarbeitsgerichte eigenständig und organisatorisch nicht mehr mit den Landgerichten verbunden. Die Dienstaufsicht wurde nicht der Justizverwaltung, sondern den obersten Arbeitsbehörden der Länder übertragen. Auffallend war, dass die Vorsitzenden nur auf drei Jahre bestellt wurden und nicht zwingend Berufsrichter sein mussten. In der Folgezeit kam es zu einer unerfreulichen Rechtszersplitterung in den einzelnen Ländern, die zum Teil sogar eigene Landesarbeitsgerichtsgesetze erließen. An ein oberstes Arbeitsgericht für alle deutschen Länder war in dieser Zeit noch nicht zu denken. Mit der Teilung Deutschlands nahm dann auch die Arbeitsgerichtsbarkeit eine ganz unterschiedliche Entwicklung.
Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland durch das am 24. September 1949 in Kraft getretene Grundgesetz fiel zugleich die verfassungsrechtliche Entscheidung für eine eigenständige Arbeitsgerichtsbarkeit. Das Grundgesetz sah in seinem Art. 96 Abs. 1, der im Grundsatz dem heutigen Art. 95 Abs. 1 entspricht, ein Rechtssystem mit mehreren selbständigen Zweigen, darunter der Arbeitsgerichtsbarkeit, vor und bestimmte außerdem, dass für jeden Zweig ein oberster Gerichtshof des Bundes zu errichten sei. Damit war für die Arbeitsgerichtsbarkeit erstmals ein von der ordentlichen Justiz unabhängiger dreistufiger Instanzenzug garantiert. Umgesetzt wurde der grundgesetzliche Auftrag allerdings erst mit dem am 1. Oktober 1953 in Kraft getretenen Arbeitsgerichtsgesetz. Mit diesem erhielt die Arbeitsgerichtsbarkeit ihre trotz mancher späterer Änderungen in ihren wesentlichen Grundzügen noch heute geltende, bewährte Verfassung. Danach sind die Kammern der Arbeitsgerichte und der Landesarbeitsgerichte als Tatsacheninstanzen in der Besetzung mit einem Berufsrichter und jeweils zwei ehrenamtlichen Richtern tätig, während die Senate des Bundesarbeitsgerichts als Revisionsinstanz mit je einem Vorsitzenden, zwei berufsrichterlichen Beisitzern und je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber entscheiden. Auch an der sachlichen Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen und der Besonderheit zweier unterschiedlicher Verfahrensarten - Urteils- und Beschlussverfahren - hat sich seitdem nichts Grundsätzliches geändert.
Zum Sitz des neu zu errichtenden Bundesarbeitsgerichts bestimmte der Gesetzgeber Kassel. In dem 1935 bis 1938 als Generalkommando der Wehrmacht errichteten Gebäude am Graf-Bernadotte-Platz nahm das Bundesarbeitsgericht im April 1954 seine Rechtsprechungstätigkeit auf und übte sie über 45 Jahre unter einem gemeinsamen Dach mit dem Bundessozialgericht aus. In diese Zeit fielen zahlreiche Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes. So wurde durch das Richtergesetz vom 14. September 1961 die bis dahin bestehende Möglichkeit beseitigt, auch als Nichtjurist Vorsitzender am Arbeitsgericht zu werden. Durch die grundlegende Novellierung des Arbeitsgerichtsgesetzes von 1979 entfiel u.a. die für Streitwerte unter 300,00 DM geltende Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte. Ferner wurde das Rechtsmittelsystem grundlegend umgestaltet und hierbei in vollständiger Abkehr von der Streitwertrevision die Revision auf die Fälle beschränkt, in denen sie wegen grundsätzlicher Bedeutung oder wegen Divergenz vom Landesarbeitsgericht oder auf eine Nichtzulassungsbeschwerde hin vom Bundesarbeitsgericht zugelassen wird. Auch das Beschlussverfahren wurde in Einzelheiten geändert, ohne dass jedoch in die Substanz eingegriffen worden wäre.
Auch in der früheren sowjetischen Besatzungszone wurden auf der Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 im Jahre 1946 unter Rückgriff auf das ArbGG 1926 wieder Arbeitsgerichte und Landesarbeitsgerichte errichtet. Diese blieben auch nach der Konstituierung der DDR vom 7. Oktober 1949 und der Auflösung der Länder Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg sowie deren Ersetzung durch 14 Bezirke im Jahr 1952 zunächst bestehen. 1953 wurden die Arbeitsgerichte durch Kreisarbeitsgerichte sowie die fünf Landesarbeitsgerichte durch 14 Arbeitsgerichte zweiter Instanz ersetzt. Im Jahr 1963 verlor die Arbeitsgerichtsbarkeit ihre Selbständigkeit. Bei den Kreisgerichten wurden Kammern für Arbeitsrecht, bei den 14 Bezirksgerichten Senate für Arbeitsrecht gebildet. In beiden Instanzen waren die Spruchkörper mit je einem Berufsrichter und zwei Schöffen tätig. Dritte Instanz war das Oberste Gericht der DDR. Dieses war nicht nur Kassationsgericht, sondern "leitete die Rechtsprechung", indem es mit verbindlicher Wirkung für die Gerichte der DDR Richtlinien erließ, und erfüllte damit eine mit dem Bild des unabhängigen, nur dem Gesetz unterworfenen Richters kaum vereinbare Funktion. Wesentlicher Bestandteil der Arbeitsrechtsprechung in der DDR waren die bereits seit 1953 bestehenden Konfliktkommissionen. Nur wenn diese zuvor eingeschaltet waren, war der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten zulässig. Die Tätigkeit der Konfliktkommissionen führte dazu, dass es nur verhältnismäßig wenig arbeitsgerichtliche Verfahren gab. Wenngleich die Aufgabe der Konfliktkommissionen ideologisch stark überhöht wurde, sollten sie doch nicht nur "zur strikten Einhaltung sozialistischer Gesetzlichkeit beitragen", sondern auch "den erzieherischen Einfluss des sozialistischen Arbeitsrechts stärken", so gelang es ihnen in der Praxis wohl häufig, zu befriedigenden individuellen Konfliktlösungen zu kommen. Außerdem wurde ein Teil der Rechtskonflikte in der DDR über das sog. Eingabewesen kanalisiert, in dem die Entscheidungen häufig nicht rechtlich, sondern eher pragmatisch und politisch getroffen wurden. Obwohl gesetzlich nicht vorgesehen, wurden auch arbeitsrechtliche Ansprüche zum Gegenstand derartiger Eingaben gemacht.
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurde im Grundsatz auch die Rechtseinheit sowohl im materiellen Arbeitsrecht als auch für die Arbeitsgerichtsbarkeit hergestellt. Versuche der DDR, Teile ihres Arbeitsgesetzbuchs zu erhalten, hatten keinen Erfolg. Vielmehr galt auf Grund von Art. 8 des Einigungsvertrags vom 31. August 1990 ab dem 3. Oktober 1990, von einigen Übergangsregelungen abgesehen, das bundesdeutsche Arbeitsrecht. Zu einem Kompromiss kam es nur insoweit, als in Art. 30 Einigungsvertrag die Zusammenfassung des zersplitterten individuellen Arbeitsrechts als bald zu erledigende Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers festgelegt wurde. Trotz der damit verbundenen praktischen Schwierigkeiten wurde im Grundsatz auch das bundesdeutsche Verfahrensrecht einschließlich des Arbeitsgerichtsgesetzes bereits vom 3. Oktober 1990 an für anwendbar erklärt. Allerdings blieben für eine Übergangszeit in Arbeitsrechtsstreitigkeiten auch die Kreisgerichte und Bezirksgerichte zuständig. Auch traten an die Stelle der bisherigen Konfliktkommissionen vorübergehend die Schiedsstellen für Arbeitsrecht, die für die Beilegung sämtlicher Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis zuständig waren. Deren Tätigkeit ist in der rechtspolitischen Diskussion sehr unterschiedlich bewertet worden. Sie endete am 31. Dezember 1992. Die Verselbständigung der Arbeitsgerichtsbarkeit, die sich in den einzelnen neuen Bundesländern unterschiedlich vollzog, war am 9. Januar 1993 abgeschlossen. Auf Grund der Entscheidungen der aus Abgeordneten und Richtern bestehenden Richterwahlausschüsse wurde etwa die Hälfte der zum Zeitpunkt des Beitritts in der DDR amtierenden Richter übernommen.
Die Chance, der Wiedervereinigung Deutschlands einen sichtbaren Ausdruck zu verleihen, erhielt die Arbeitsgerichtsbarkeit durch die Verlegung des Bundesarbeitsgerichts von Kassel nach Erfurt. Die am 27. Mai 1992 von der Föderalismuskommission empfohlene Verlegung wurde am 29. Mai 1992 vom Bundeskabinett bestätigt und am 26. Juni 1992 vom Bundestag angenommen. Die Entscheidung, das zunächst einzige repräsentative Großprojekt des Bundes außerhalb Berlins in Thüringen zu errichten, sollte nicht nur den Föderalismus stärken, sondern außerdem dazu beitragen, nach der Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands auch die innere Einheit zu verwirklichen. Die Beratungen in einem Arbeitsstab, an dem das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, das Bundesarbeitsgericht und das Land Thüringen beteiligt waren, führten rasch zu dem Vorschlag, die Landeshauptstadt Erfurt als künftigen Standort des Gerichts zu bestimmen. Ausschlaggebend waren vor allem die geistige Atmosphäre einer Universitätsstadt und die recht gute Erreichbarkeit, die für Rechtssuchende, Anwaltschaft und ehrenamtliche Richter von großer Bedeutung ist. Im März 1994 wurde in Erfurt ein Aufbaustab für die Koordinierung der gesamten Verlegungsmaßnahmen errichtet. Ebenfalls bereits 1994 wurde durch eine Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes die Befugnis des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, Verhandlungen schon jetzt in Erfurt durchzuführen. So fanden denn auch von 1994 bis 1999 bereits ca. 30 Sitzungen des Bundesarbeitsgerichts in den Räumen des Landesarbeitsgerichts und des Landgerichts Erfurt statt. Durch Gesetz vom 11. März 1996 wurde Erfurt zum Sitz des Bundesarbeitsgerichts bestimmt und das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, den Zeitpunkt der Verlegung durch Rechtsverordnung festzulegen, sobald die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt vorliegen.
Für das neue Dienstgebäude stand in Erfurt in städtebaulich hervorragender Lage in unmittelbarer Nachbarschaft zur historischen Festungsanlage Petersberg und dem Erfurter Dom ein besonders geeignetes Grundstück zur Verfügung. In dem im Februar 1995 europaweit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb wurden 167 Wettbewerbsarbeiten eingereicht. Den Zuschlag erhielt der Entwurf der Berliner Architektin Gesine Weinmiller. Am 23. September 1996 erfolgte der erste Spatenstich. Drei Jahre danach wurde das Gebäude am Hugo-Preuß-Platz an das Bundesarbeitsgericht übergeben. Die Anschrift erinnert an den großen deutschen Staatsrechtler und Demokraten, der mit seinem 1918/1919 erarbeiteten Entwurf einer demokratischen Reichsverfassung die Grundlage für die Weimarer Verfassung geschaffen und damit auch das heute geltende Grundgesetz maßgeblich mitgeprägt hat. Am 9. November 1999 fand die letzte Sitzung des Bundesarbeitsgerichts in Kassel statt. Am 11. November 1999 begann das Packen. Der 16. November 1999 war der letzte Arbeitstag in Kassel. Bald darauf rollten 40 LKW-Ladungen bei Schnee und Eis nach Erfurt. Schon am 19. November 1999 war der Umzug komplett abgeschlossen. Am 22. November 1999 nahm das Bundesarbeitsgericht seinen normalen Dienstbetrieb in Erfurt auf. Am 24. November 1999 fand im Großen Sitzungssaal des neuen Gebäudes die erste Verhandlung statt. Das Bundesarbeitsgericht war in Erfurt angekommen.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist eröffnet, wenn die Streitigkeit zu einem der im Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) abschließend aufgeführten Gegenstände gehört. Für diese sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig. Die Parteien können daher auch durch eine Vereinbarung die Zuständigkeit anderer Gerichte nicht begründen.
Einen großen Teil der von den Gerichten für Arbeitssachen zu entscheidenden Verfahren machen die Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis sowie über dessen Beendigung aus. Hierunter fallen auch die im öffentlichen Dienst geschlossenen Arbeitsverhältnisse, nicht jedoch die Beamtenverhältnisse. Von praktischer Bedeutung sind insbesondere Kündigungsschutzklagen, sowie Rechtsstreitigkeiten über die Wirksamkeit von Befristungen, über Arbeitsentgelt, Schadensersatz, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitnehmerüberlassung, Abmahnungen und Zeugnisse. Auch wenn nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses noch über mit diesem zusammenhängende Ansprüche, wie insbesondere etwa eine Betriebsrente gestritten wird, können die Arbeitsgerichte angerufen werden. Gleiches gilt, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder auch Arbeitnehmer untereinander über unerlaubte Handlungen streiten, die, wie etwa eine Schlägerei am Arbeitsplatz, mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht. Zur strafrechtlichen Beurteilung sind die Arbeitsgerichte jedoch nicht berufen. Die Gerichte für Arbeitssachen sind weiter zuständig, wenn sich die Tarifvertragsparteien - Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände - untereinander oder auch mit Dritten über den Inhalt oder das Bestehen von Tarifverträgen streiten. Die Arbeitsgerichte entscheiden auch über Fragen der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit sowie über Streitigkeiten, die aus Anlass von Arbeitskämpfen - Streik und Aussperrung - entstehen. Von großer Bedeutung sind schließlich auch die in § 2 a ArbGG genannten betriebsverfassungsrechtlichen und mitbestimmungsrechtlichen Streitigkeiten, die im sog. Beschlussverfahren auszutragen sind. Hier wird z.B. über Beteiligungsrechte des Betriebsrats oder über die durch dessen Tätigkeit entstandenen Kosten, aber auch über die Anfechtung von Betriebsratswahlen oder die Abberufung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat des Unternehmens gestritten.
Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist eigenständig und nicht Teil der Zivilgerichtsbarkeit. Sie ist dreistufig aufgebaut und wird aus den Arbeitsgerichten, den Landesarbeitsgerichten sowie dem Bundesarbeitsgericht gebildet.
Die in den Ländern errichteten Arbeitsgerichte bestehen aus Kammern, in denen Berufsrichter als Vorsitzende und ehrenamtliche Richter aus Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer als Beisitzer tätig sind. Die Vorsitzenden müssen die Befähigung zum Richteramt besitzen. Sie werden nach landesrechtlichen Vorschriften ernannt. Die ehrenamtlichen Richter werden auf die Dauer von fünf Jahren berufen. Sie sind in angemessenem Verhältnis Vorschlagslisten zu entnehmen, die insbesondere von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und Körperschaften des öffentlichen Rechts eingereicht werden. Die ehrenamtlichen Richter wirken an den Entscheidungen mit gleichem Stimmrecht wie der Vorsitzende mit. Sie dürfen wegen ihrer Tätigkeit von niemand benachteiligt werden. Die Arbeitsgerichte sind unabhängig von der Höhe des Streitwerts und der Art des Streitgegenstandes als Eingangsgerichte für alle arbeitsrechtlichen Streitigkeiten zuständig.
Die Landesarbeitsgerichte sind gleichfalls in den Ländern errichtet und entscheiden ebenfalls durch Kammern in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und je einem ehrenamtlichen Richter aus Kreisen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Zuständig sind sie für Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der Arbeitsgerichte.
Dritte und letzte Instanz in arbeitsgerichtlichen Streitigkeiten ist als einer der fünf in Art. 95 Abs. 1 GG genannten obersten Gerichtshöfe des Bundes das Bundesarbeitsgericht.
Das Arbeitsgerichtsgesetz kennt in allen drei Instanzen zwei Verfahrensarten: das Urteilsverfahren und das Beschlussverfahren. Die Art des Verfahrens bestimmt sich nach dessen Gegenstand. Diesem entsprechen auch die Besonderheiten der beiden Verfahrensarten.
Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren entscheiden die Gerichte für Arbeitssachen, wenn es um individualrechtliche Streitigkeiten, insbesondere um Ansprüche zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis geht. Das Verfahren orientiert sich an dem in der Zivilprozessordnung (ZPO) für die Amtsgerichte geregelten Verfahren, weist diesem gegenüber jedoch manche Besonderheiten auf. Ebenso wie der Zivilprozess ist es durch die Dispositionsmaxime und den Beibringungsgrundsatz gekennzeichnet. Die Parteien haben es in der Hand, das Verfahren einzuleiten, aber auch einvernehmlich zu beenden. Sie bestimmen den Gegenstand des Rechtsstreits und ihre Aufgabe ist es, den Tatsachenstoff in den Prozess einzubringen sowie die erforderlichen Beweise zu führen. Das Gericht darf grundsätzlich nur die von den Parteien in der mündlichen Verhandlung, meist durch Bezugnahme auf vorbereitende Schriftsätze vorgetragenen Tatsachen berücksichtigen und muss diese, wenn sie unstreitig sind, seiner Entscheidung zugrunde legen. Es ist grundsätzlich weder verpflichtet noch berechtigt, von sich aus eigene Untersuchungen anzustellen. Damit setzt sich die Privatautonomie der Parteien, d.h. ihre Freiheit, durch Verträge eigenverantwortlich Rechte und Pflichten zu begründen, im Prozeß fort. Doch hat gerade auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren das Gericht die Pflicht, den Parteien tatsächliche und rechtliche Hinweise zu geben, sie zur Ergänzung oder Erläuterung klärungsbedürftiger Punkte anzuhalten und auf sachdienliche Anträge hinzuwirken.
Eine Besonderheit des erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahrens war bisher die vor dem Kammervorsitzenden stattfindende Güteverhandlung. Ab 1. Januar 2002 ist sie nun auch für den Zivilprozess in der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorgesehen. Sie dient der Beschleunigung, der gütlichen Einigung und - sofern diese nicht möglich ist - der Vorbereitung der Verhandlung vor der Kammer. Die Parteien können vor den Arbeitsgerichten selbst auftreten oder sich vertreten lassen. Vorschüsse auf die Gerichtskosten sind anders als bei den Zivilgerichten nicht zu leisten. Anders als dort muss auch in erster Instanz die unterliegende Partei dem obsiegenden Gegner einen Verdienstausfall sowie die Kosten der Prozessvertretung nicht erstatten. Diese Regelung soll verhindern, dass Arbeitnehmer sich durch das Kostenrisiko von der Inanspruchnahme der Arbeitsgerichte abschrecken lassen. Die Kammer des Arbeitsgerichts entscheidet den Rechtsstreit auf Grund öffentlicher Verhandlung nach einer etwa erforderlichen Beweisaufnahme durch ein schriftlich zu begründendes Urteil. Gegen dieses kann die unterlegene Partei Berufung einlegen, wenn sie in dem Urteil zugelassen wurde, der Wert des Beschwerdegegenstandes 1.200,00 DM (ab 1. Januar 2002: 600 Euro) übersteigt oder es sich um eine Rechtsstreitigkeit über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses handelt. Über die Berufung entscheidet das Landesarbeitsgericht. Vor diesem müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter vertreten lassen. Das Landesarbeitsgericht ist eine echte zweite Tatsacheninstanz. Die Parteien können daher - mit gewissen Einschränkungen - auch neue Tatsachen vortragen und Beweise anbieten. In einem Großteil der Fälle entscheiden die Landesarbeitsgerichte abschließend. Unter bestimmten Voraussetzungen ist aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht zulässig.
Das Beschlussverfahren ist ein eigenständiges Erkenntnisverfahren. Sein Name rührt daher, dass es nicht mit einem Urteil, sondern mit einer als Beschluss bezeichneten Entscheidung abgeschlossen wird. Es findet vor allem in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten statt und wird deren Besonderheiten gerecht. Eine dieser Besonderheiten liegt darin, dass an den betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten meist Personen, bzw. Stellen beteiligt sind, denen im allgemeinen Rechtsverkehr die Rechtsfähigkeit fehlt. Dem trägt der Gesetzgeber Rechnung, indem er für das Beschlussverfahren derartigen Personen und Stellen, darunter insbesondere auch dem Betriebsrat, die Beteiligtenfähigkeit verleiht. Vor allem aber haben betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeiten häufig eine über den konkreten Fall und die Verfahrensbeteiligten weit hinausreichende Bedeutung. So haben etwa die Anfechtung einer Betriebsratswahl oder der Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung Wirkungen für die gesamte Belegschaft. Der Gesetzgeber hat dies berücksichtigt, indem er zum einen die Gerichte verpflichtet, von Amts wegen auch die Personen und Stellen am Verfahren zu beteiligen, die in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen sind. Vor allem aber gilt im Beschlussverfahren nicht wie im Urteilsverfahren der Beibringungsgrundsatz. Denn zwar kommt auch das Beschlussverfahren nur durch einen Antrag in Gang und kann durch dessen Rücknahme zur Einstellung gebracht werden. Im Rahmen der gestellten Anträge erforscht aber das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Es ist nicht auf den von den Beteiligten vorgetragenen Tatsachenstoff beschränkt und kann von sich aus Beweise erheben. Hierdurch soll vor allem im Interesse von Dritten, die am Verfahren nicht beteiligt, aber durch die Entscheidung mittelbar betroffen sind, vermieden werden, dass die Entscheidung auf Grund eines unzutreffenden oder unvollständigen Tatsachenvortrags ergeht. Dem entspricht auch, dass die Beteiligten im Beschlussverfahren einen Vergleich nur schließen dürfen, soweit sie über dessen Gegenstand verfügen können. Die Durchführung eines Güteverfahrens steht im Beschlussverfahren im Ermessen des Vorsitzenden des Arbeitsgerichts. Die das Verfahren beendenden Beschlüsse ergehen durch die Kammer. Hiergegen ist stets die Beschwerde zum Landesarbeitsgericht zulässig. Über diese entscheidet das Landesarbeitsgericht nach erneuter mündlicher Anhörung der Beteiligten durch Beschluss. Gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts findet unter bestimmten Voraussetzungen die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht statt.